Sonntag, 27. August 2017

Predigt am 27. August 2017 (11. Sonntag nach Trinitatis)

Jesus sprach zu den Hohenpriestern und Ältesten des Volkes: „Was meint ihr? Es hatte ein Mann zwei Söhne und ging hin zu dem ersten und sprach: ,Mein Sohn, geh hin und arbeite heute im Weinberg.‘ Er antwortete aber und sprach: ,Ich will nicht.‘ Danach aber reute es ihn, und er ging hin. Und der Vater ging zum andern Sohn und sagte dasselbe. Der aber antwortete und sprach: ,Ja, Herr!‘, und ging nicht hin. Wer von den beiden hat des Vaters Willen getan?“
Sie sprachen: „Der erste.“ Jesus sprach zu ihnen: „Wahrlich, ich sage euch: Die Zöllner und Huren kommen eher ins Reich Gottes als ihr. Denn Johannes kam zu euch und wies euch den Weg der Gerechtigkeit, und ihr glaubtet ihm nicht; aber die Zöllner und Huren glaubten ihm. Und obwohl ihr’s saht, reute es euch nicht, sodass ihr ihm danach geglaubt hättet.“
Matthäus 21, 28-32


Liebe Gemeinde,
das kennen wir schon von unseren eigenen Kindern: „Nein, ich will nicht. Ich mach das nicht. Ich kann das nicht. Ich will lieber spielen. Ich will lieber zu meinem Freund gehen.“ Usw. usf. Und am Ende irgendwann hat es die Hausaufgaben doch noch gemacht, oder die Aufgabe im Haushalt. Mit Schnute und mit Nörgeln zwar. Aber immerhin.
Vielleicht kennen wir das auch von Mitarbeitern, dass sie sich um bestimmte Aufgaben drücken wollen, dass sie Ausreden finden, warum sie dies oder das nicht tun wollen. Und doch, am Ende haben sie getan, was nötig war.
Ja, vielleicht kennen wir es auch von uns selbst: diesen Widerstand gegen das, was nötig ist und wozu wir doch keine Lust oder keine Kraft haben. Am Ende tun wir’s doch. Und wir sind froh, wenn wir’s hinter uns gebracht haben.
Man fragt sich natürlich: Ist das nötig? Ist die ganze Nörgelei, Neinsagerei und Aufschieberei am Ende nicht Energieverschwendung. Wäre ein schnelles Ja und eine schnelle Erfüllung der unangenehmen Pflicht nicht einfacher?
Möglicherweise kennen wir auch das andere von unseren Kindern oder Mitarbeitern oder von uns selbst: einfach erstmal Ja sagen. „Ok. Mach ich.“ Dann hat die liebe Seele Ruhe. Aber zur Tat schreitet das liebe Kind oder der liebe Mitarbeiter noch lange nicht. Erst noch ein bisschen spielen. Erst noch was anderes machen. Der erste Schritt ist soooo schwer. Und am Ende bleibt’s liegen. Mancher hat sich durch krankhafte Aufschieberitis sein Studium oder seinen Abschluss versaut. „Ja, ich will.“ Aber dann, dann bleibt die Arbeit doch liegen.
Wer von den beiden tut, was von ihm erwartet wird? – Klar, am Ende ist es derjenige, der den Auftrag ausführt, auch wenn er erst Nein gesagt hat.


Wenn ich ehrlich bin, gefallen mir beide nicht. Der eine sagt Nein und macht schlechte Stimmung. Der andere sagt Ja und tut nicht, was er soll; da ist die Stimmung am Ende noch schlechter.
Ist es nicht viel einfacher, viel schöner, wenn man Menschen um sich hat, die einfach Ja sagen und Ja tun? Die nicht nörgeln, nicht diskutieren, die einen nicht hängen lassen und nicht hintergehen? Gehorsame Kinder, funktionierende Mitarbeiter?
Aber wenn ich drüber nachdenke, gefällt mir das auch nicht. Will ich das, wollen wir das: nur Ja-Sager, nur Mit-Macher, lauter angepasste und funktionierende Menschen?
Wie wäre das, wenn einer Nein sagt und bleibt bei seinem Nein? Sagt: „Ich tu das nicht. Ich will das nicht. Ich kann das nicht. Ich seh das nicht ein.“ Und tut es auch wirklich nicht?
Solche Leute sind schwierig: Querulanten, Eigenbrötler, Kritiker.
Aber irgendwie mag ich sie auch. Sie nötigen mir Respekt ab: Leute, die nicht einfach mitmachen und mitlaufen, sondern die zweifeln, die selber nachdenken, die widersprechen und infragestellen. Und nicht tun, wovon sie nicht überzeugt sind.
Wären das nicht eigentlich Menschen, wie Jesus sie sich wünscht? – Eure Rede sei Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, ist von Übel. (Matthäus 5,37) – Gerade, klare, eindeutige Menschen, deren Ja ein Ja und deren Nein ein Nein ist. Auf die kann ich mich verlassen. Auf die kann ich zählen. Sie reden mir nicht nach dem Mund. Sie sind keine Schönredner, Umfaller oder Wendehälse.
Oder doch nicht? – Gerade, klar, eindeutig. Oder einfach nur stur und selbstgerecht? Solche Leute haben ihre festen Überzeugungen und vorgefassten Meinungen. Wovon sie überzeugt sind, das ziehen sie durch. Wer sich ihnen in den Weg stellt, ist nur ein hinderlicher Bedenkenträger. Argumente zählen für sie nicht. Sie haben einmal Ja gesagt, und nun bleiben sie bei ihrem Ja. Oder sie haben Nein gesagt und werden für immer bei diesem Nein bleiben. Keine Chance auf einen Sinneswandel oder ein Entgegenkommen. Keine Hoffnung auf eine Änderung. Die Bibel nennt solche Menschen verstockt.
Ich denke daran, wie es damals war, vor 27, 28 Jahren. Manche haben sich damals ganz schnell gewendet: Eben noch überzeugte Kommunisten warfen ihre alte Ideologie über Bord und schufen sich in Nullkommanichts eine neue Existenz und Identität. Andere sind sich treu geblieben und verteidigen noch heute die Schüsse an der Mauer und die Verfolgung Andersdenkender.
Wer ist mir lieber? Der Wendehals oder der unverbesserliche Altkommunist? – Nicht so einfach zu beantworten, oder? – Ich neige trotzdem dem ersten zu. Ich weiß nicht, wie ehrlich seine Wende gewesen sein mag. Aber zumindest hat er sich als lernfähig erwiesen und sich von alten Irrtümern losgesagt.
Jesus wünscht sich Menschen, die klar Ja oder Nein sagen. Aber er wünscht sich auch Menschen, die fähig sind, sich zu ändern, umzudenken, einen neuen Anfang zu machen, Buße zu tun, wie es in biblischer Sprache heißt.
Pharisäer und Zöllner standen sich in der Evangelienlesung gegenüber.
Der eine überzeugt, alles richtig zu machen und es überhaupt nicht nötig zu haben, etwas zu ändern. Klar, gerade, stur. Unbußfertig.
Der andere überzeugt, alles falsch gemacht zu haben, Sünder zu sein, angewiesen auf Gottes Gnade. Sich bewusst, dass sein Leben anders werden muss.
Der eine hat ein für allemal Ja gesagt zu Gott und seinen Geboten und dabei bleibt er.
Der andere hat vielleicht irgendwann mal Ja gesagt, dann ist ein Nein daraus geworden, und jetzt möchte er doch wieder zu einem Ja kommen. Und er weiß, wie schwer das ist. Wie schwer es ihm auch diejenigen machen werden, die in ihm nur den sehen, der er schon immer war: den Zöllner, den Betrüger, den Gottlosen.
Die Zöllner und die Huren, sie können sich ändern, sagt Jesus. Manche sind zu Johannes gegangen und haben sich taufen lassen und haben ein neues Leben angefangen. Andere sind zu Jesus gekommen oder er zu ihnen, und sie haben gesagt: Wir fangen ein neues Leben an. Wir kennen ein paar Namen aus dem neuen Testament: Zachäus, Matthäus, Maria Magdalena…
Einmal Zöllner immer Zöllner, haben die Pharisäer damals gesagt oder wenigstens gedacht. Einmal Kommunist, immer Kommunist, haben die Pharisäer vor 27 Jahren gesagt oder gedacht, und haben die Nase gerümpft, wenn die Zöllner und Huren und Kommunisten bei Jesus oder in seiner Gemeinde aufgetaucht sind.
Einmal Pharisäer, immer Pharisäer. Sie denken, sie sind gut, so wie sie sind. Sie denken, sie brauchen sich nicht mehr zu ändern. Sie vertrauen auf ihre Qualitäten, auf ihren Glauben, auf ihr anständiges Leben. Sie halten sich etwas zugute darauf, dass sie auch in schweren Zeiten zur Kirche gestanden haben. Sie meinen, sie wären besser als andere. Und genau das ist das Problem. Sie sind nicht mehr bereit, ihr Leben zu ändern. Sie sind nicht mehr bereit, sich und ihre Überzeugungen infrage zu stellen. Sie sind fertig. Und doch nicht vollkommen. Sie halten sich für gut. Und darum sind sie unverbesserlich. Sie stehen sich und Gottes Gnade selbst im Weg. Und verpassen deshalb ganz viel.
Jesus setzt darauf, dass Menschen niemals fertig sind. Er glaubt daran, dass sie fähig sind, sich zu ändern. Er hofft, dass aus einem Nein doch noch ein Ja wird. Und er achtet es, wenn aus einem Ja doch noch ein Nein wird.
Er freut sich über klare Entscheidungen: Ja, ja; nein, nein.
Aber er freut sich noch mehr, wenn einer bereit ist, umzudenken, dazuzulernen, Fehler zuzugeben, es nochmal zu versuchen und besser zu machen.
Keiner muss, keiner soll an der Stelle stehen bleiben, auf die er sich einmal festgelegt hat.
Nur wer sich ändert, bleibt sich treu, hat Wolf Biermann in einem alten Lied gesungen.
Das Leben ist Veränderung.
Das Leben im Gottvertrauen erst recht.
Vom Ja zum Nein zum Ja.
Immer wieder.


Jesus fragt: Wer von den beiden hat des Vaters Willen getan? Der Ja-Sager oder der Nein-Sager? –
Aber ist das überhaupt die wichtigste Frage, die entscheidende Frage?
Ich würde mir als Kind eine andere Frage stellen: Wen von den beiden hat der Vater mehr lieb?
Wer selber Kinder hat, hat es vielleicht schon gemerkt. Wir lieben unsere Kinder nicht, weil sie Ja oder Nein sagen, weil sie gehorsam sind oder nicht. Vielleicht sind wir traurig, vielleicht sind wir besorgt, wenn ein Kind Nein sagt zu dem, was wir von ihm erhoffen, erbitten, erwarten. Aber haben wir es deshalb weniger lieb?
Jesus hat ja noch eine andere Geschichte von zwei Söhnen erzählt, eine längere, bekanntere. Und es ist im Grunde doch die gleiche Geschichte. Der eine bleibt zuhause und tut täglich, was sein Vater von ihm erwartet. Der andere verprasst sein Erbe in der Fremde und kommt zerlumpt und abgebrannt nach Hause zurück. Er sagt Nein zu seinem Vater und kehrt dann doch um. Sein Bruder sagt Ja und am Ende doch Nein zur Liebe seines Vaters.
Wen von den beiden hat der Vater mehr lieb? – Müßige Frage: Er liebt sie beide.

Und wen von uns hat er mehr lieb? – Müßige Frage: Er liebt uns alle, uns Ja-Sager, uns Nein-Sager, uns, die wir angepasst sind und funktionieren; uns, die wir rebellieren und kritisieren.
Er liebt uns. Und er traut uns zu, dass wir uns treu bleiben, indem wir uns ändern.
Er liebt uns. Und das nennen wir Gnade.

2 Kommentare:

  1. sehr mutige predigt aber sehr realistisch...

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  2. Genau wie ich es empfinde, Schwarz/Weiß - denken oder gar urteilen ist nie angebracht. Das habe ich bis jetzt, wenn Menschen nach diesem Muster leben, nie verstanden.Kommt in der Predigt gut raus.
    Die Zwischentöne so wichtig....und letztlich können wir unsere Mitmenschen nie be-oder verurteilen, zu wenig wissen wir oft.
    Ich weiß nicht, ob ich die Predigt mutig finde.Ich bin froh, wenn auch mal Klartext gesprochen wird, die Dinge beim Namen genannt werden.Vielleicht gerade in einer Predigt. Und da die Menschen immer weniger die Gottesdienste besuchen, noch wichtiger, es hier lesen zu können. Trotz Recycling immer noch aktuell!

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